Microsoft entwickelt "Direct Physics"
Programmierschnittstelle für Physik-Berechnungen in Spielen
Wie aus einer Stellenausschreibung auf den Microsoft-Servern hervorgeht, arbeitet der Softwareriese bereits seit längerem an einer "Direct Physics" genannten Erweiterung seines Pakets DirectX. Offenbar will Microsoft mit einer eigenen Programmierschnittstelle der derzeit ausufernden Vielfalt an zueinander inkompatiblen Physik-Engines Einhalt gebieten.
Bereits vor der Spielemesse E3 2006 gab es erste Gerüchte, dass Microsoft demnächst mit einem eigenen Physik-Konzept den Markt umkrempeln könnte. Derzeit ist die realitätsnahe Simulation von physikalischen Effekten eines der heißesten Themen bei Spiele-Entwicklern. Zahlreiche Softwarelösungen wie die bekannte Havok-Engine (u.a. in Half-Life 2 eingesetzt) konkurrieren mit den Hardwarebeschleunigern von Ageia und sowohl ATI als auch Nvidia wollen ihre Grafikprozessoren per Software für die Physik-Berechnung fit machen. Ein einheitlicher Standard ist nicht absehbar.
Die Situation erinnert damit an die Mitte der 90er-Jahre, als etliche Spiele wie der 3D-Klassiker "Descent 2" erschienen, die bessere Grafik nur mit einer bestimmten Karte zustande brachten - das für Ende 2007 angekündigte "Cell Factor" soll auch nur mit einem PhysX-Beschleuniger von Ageia in voller Pracht erstrahlen. Microsoft beendete diese Inkompatibilitäten im 3D-Grafikbereich mit dem Erscheinen von DirectX im Jahr 1995 und etablierte gleichzeitig Windows 95 als Spieleplattform.
Nun könnte es wieder eine einheitliche Programmierschnittstelle für die vielen Physik-Engines geben - auch Direct3D, der Kern der Grafikfunktionen von DirectX, ist ja nichts anderes als ein Abstraktions-Layer zwischen Grafiktreiber und Spiel. Microsoft schweigt zu solchen Plänen für die Physik-Beschleunigung jedoch eisern und machte kürzlich nur durch eine Lizenzierung der PhysX-Engine - die auch per Software läuft - auf sich aufmerksam. Auch in der aktuellen Beta-Version des Entwickler-Kits für DirectX 10 vom Juni 2006 wird eine einheitliche Physik-Schnittstelle nicht erwähnt.
Die Website ExtremeTech hat nun jedoch eine Stellenausschreibung von Microsoft ausgegraben, die bereits aus dem August 2005 stammt. Darin heißt es ausdrücklich: "Die Windows Graphics and Gaming Technology Group sucht einen Software-Entwickler zur Verstärkung des wachsenden Teams, das Direct Physics entwickelt."
Stellenausschreibung für Direct Physics
Die Anforderungen an den Programmierer, der in Redmond arbeiten soll, sind hoch: Er sollte im Idealfall einen Hochschulabschluss in Informatik, Mathematik oder Physik in der Tasche haben, mindestens vier Jahre mit den Sprachen C und C++ programmiert haben und auch Hochsprachen für Computergrafik wie die "High Level Shader Language" (HLSL) beherrschen. Letzteres deutet darauf hin, dass Microsoft, wie von ATI und Nvidia schon geplant, einen Teil der Physik-Berechnungen den Grafikprozessoren aufbürden will. Auch die Physik-Engines Havok und Ageia (gemeint ist hier wohl PhysX, Ageia ist der Name des Unternehmens) erwähnt Microsoft in der Stellenausschreibung ausdrücklich. Das Posting ist bei Veröffentlichung dieser Meldung zeitweise nur schwer von den Microsoft-Servern abzurufen, weshalb Golem.de hier einen Screenshot vom 21. Juni 2006 veröffentlicht hat.
Mit dieser Ausschreibung steht zumindest fest, dass Microsoft an "Direct Physics" arbeitet. Da das Unternehmen jedoch vor dem Erscheinen einer neuen Schnittstelle in der Regel mindestens sechs Monate vor Erscheinen Beta-Versionen der Entwicklerwerkzeuge veröffentlicht, dürfte Direct Physics erst 2007 fertig gestellt sein - und damit frühestens Ende 2007 in ersten Spielen verwendet werden. Einen offiziellen Termin nennt Microsoft nach wie vor nicht.
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