Pokémon Go: Niantic handelt fahrlässig in der Corona-Pandemie

Gruppentreffen und Rausgehen: verboten und unerwünscht - egal! Niantic macht mit Pokémon Go in der Corona-Pandemie sogar bessere Geschäfte als vorher. Die Methode bringt selbst mich als Fan auf.

Ein IMHO von veröffentlicht am
Die Pikachu-Gesichtsmaske in Pokémon Go kostet 1,50 Euro.
Die Pikachu-Gesichtsmaske in Pokémon Go kostet 1,50 Euro. (Bild: Daniel Pook/Golem.de)

Gruppentreffen, Festivals, die eigenen vier Wände verlassen und mit Freunden niedliche Monster jagen - das ist das Gegenteil dessen, was wir während der Covid-19-Pandemie tun sollten. Für die nach wie vor bemerkenswert große Nutzerschaft von Pokémon Go macht das aber den besonderen Reiz des Spiels aus - und ist ein integraler Teil des Augmented-Reality-Konzepts. Denn das Spielfeld auf dem Bildschirm basiert auf Google Maps. Bewegen sich die Spieler in der Realität, wandert ihr digitales Alter Ego anhand von GPS-Daten des Smartphones automatisch auf einer Karte unserer realen Welt mit.

Inhalt:
  1. Pokémon Go: Niantic handelt fahrlässig in der Corona-Pandemie
  2. Wie Niantic auf Corona hätte reagieren sollen
  3. Premium-Zugangspässe für kontaktlose Raids

Dem anhaltenden Erfolg des Programms hat Corona keinen Abbruch getan. 2020 machte Pokémon Go durch In-App-Käufe nach Schätzungen der Nielsen-Firma Superdata mit 1,92 Milliarden US-Dollar sogar mehr Umsatz als in all den Jahren zuvor. Gewundert hat mich das nicht, die Methodik hinter diesem Erfolg stößt mir jedoch selbst als Fan und langjährigem Beobachter der App seit Beginn der Coronakrise übel auf.

Ein gutes Free-to-Play-Konzept - früher

Bislang zählte Pokémon Go zu den wenigen Free-to-Play-Apps mit optionalen Mikrotransaktionen, die ich für halbwegs fair entworfen hielt. Das kostenlose Kernspiel ist umfangreich und wurde seit dem Launch um zahlreiche Pokémon und Features wie Trainerkämpfe, Team-Rocket-NPCs sowie eine Tauschfunktion erweitert.

Als Gelegenheitsspieler bin ich gerne dabeigeblieben, habe mich in meiner Rolle als virtueller Pokémon-Trainer, so heißen die Avatare der Nutzer, im gemächlichen Tempo auf ein respektables Level 39 hochgearbeitet und mich ohne nennenswerten Geldeinsatz nie vom Monsterfangen mit Freunden ausgeschlossen gefühlt.

Normalerweise wird der Spielfortschritt in Freemium-Titeln durch nervige Zwangspausen oder monotones Wiederholen anspruchsloser Aktionen ausgebremst, was Spieler nur durch Einsatz erkaufter Premium-Währungen auf ein erträgliches Maß beschleunigen können. In Pokémon Go wird der Fortschritt dagegen primär dadurch angekurbelt, dass Spieler sich mit ihren Smartphones bewegen, viele reale Orte besuchen und andere Trainer in der Wirklichkeit zum gemeinsamen Spielen treffen. Wer sich daran hält und täglich aktiv ist, hat wenig Bedarf, echtes Geld auszugeben. Oder vielmehr hatte - bis Corona kam.

Heimtrainern gehen die Bälle aus

Hauptquelle für kostenlose Basis-Items in Pokémon Go sind die sogenannten Pokéstops. Das sind fixe Punkte auf der Weltkarte, die an signifikante Gebäude, Statuen, Graffitis und ähnlich markante Objekte in der echten Welt gebunden sind. Befinden Nutzer sich in deren Umkreis, können sie in regelmäßigen Abständen neue Gegenstände für ihr Spiel abrufen.

Am allerwichtigsten sind Pokébälle, die in Zufallsbegegnungen per schwungvollem Fingerwischen über den Touchscreen Richtung wilder Pokémon geworfen werden, um sie zu zähmen und einzufangen. Hauptziel des Spiels ist es, möglichst viele unterschiedliche Varianten dieser putzig animierten Fantasietiere beim Umherwandern zu sammeln und mit extra mächtigen Exemplaren Monsterkämpfe gegen andere Trainer zu gewinnen.

Ein Pokémon zu erbeuten, egal wie schwach oder wie oft schon gesehen, lohnt sich eigentlich immer. So sammeln Spieler bei jedem Fang Erfahrungspunkte, Sternenstaub und Bonbons, um damit ihre Vorzeigekämpfer stärker werden zu lassen oder die Evolution zu viel mächtigeren Pokémon auszulösen, die in der Wildnis nicht so häufig vorkommen.

Da nicht jeder Wurf trifft, Monster in freier Wildbahn auch hin und wieder erfolgreich ausweichen oder flüchten, ist ein steter Pokébälle-Nachschub für Trainer aller Level essenziell. Dementsprechend hätte Niantic als effektivste Hilfestellung während der Pandemie zuallererst den Zugriffsumkreis auf Pokéstops - und damit auf kostenlose Bälle - in der näheren Umgebung am besten drastisch ausweiten sollen.

Schnell lockt der Griff zu echtem Geld

Die Reichweiten wurden zwar tatsächlich vergrößert, allerdings derart geringfügig, dass den meisten Spielern damit kaum geholfen ist. Ich selbst kann zum Beispiel von mehr als 20 dieser Stationen in unmittelbarer Sichtweite, auch nach Anpassung des Umkreises, gerade einmal eine einzige von meiner Wohnung aus aktivieren. Neue Pokébälle generiert mir diese Station allein nur schleppend.

  • Ein Mewtu mit Glücks-Pokémon-Bonus, das wir tierisch umbenannt haben. (Bild: Niantic / Screenshot: Golem.de)
  • Monster tauschen aus der Ferne bleibt weiterhin verwehrt. (Bild: Niantic / Screenshot: Golem.de)
  • Der Pokédex zeigt, welche Arten wir bereits gefangen haben. (Bild: Niantic / Screenshot: Golem.de)
  • Diese Arena ist zum Interagieren zu weit entfernt. (Bild: Niantic / Screenshot: Golem.de)
  • Das rote Ei unten links würde ohne Superbrutmaschine 12km Wandern bis zum Schlüpfen erfordern. (Bild: Niantic / Screenshot: Golem.de)
  • Per Augmented-Reality-Ansicht erscheinen Pokémon auf dem Smartphone-Bildschirm in unserer echten Welt. (Bild: Niantic / Screenshot: Golem.de)
  • Wer optimal trifft, kann mit jedem Wurf eines Pokéballs viele Erfahrungspunkte und Bonbons verdienen. (Bild: Niantic / Screenshot: Golem.de)
  • Pokémünzen gibt es zu typischen Freemium-Preisen auch für echtes Geld. (Bild: Niantic / Screenshot: Golem.de)
  • Zugekaufte Items machen das Spielen angenehmer. (Bild: Niantic / Screenshot: Golem.de)
  • Virtuelle Events erscheinen immer öfter und kosten meistens Geld. (Bild: Niantic / Screenshot: Golem.de)
  • Von all den sichtbaren Pokéstops erreichen wir hier nur einen einzigen. (Bild: Niantic / Screenshot: Golem.de)
  • Sogar mit digitalen Alltagsmasken verdient Niantic im Spiel Geld. (Bild: Niantic / Screenshot: Golem.de)
  • Schwein gehabt? Noch wissen wir nicht, ob dieses Pokémon gleich flüchtet. (Bild: Niantic / Screenshot: Golem.de)
  • In diesem Pokéball ist soeben ein niedliches Monster gefangen worden. (Bild: Niantic / Screenshot: Golem.de)
  • Wir fangen ein Karpador, das erst nach Weiterentwicklung zum riesigen Garados im Kampf hilfreich ist. (Bild: Niantic / Screenshot: Golem.de)
  • Tägliche Almosen von Niantic fallen mehr als mager aus. (Bild: Niantic / Screenshot: Golem.de)
Von all den sichtbaren Pokéstops erreichen wir hier nur einen einzigen. (Bild: Niantic / Screenshot: Golem.de)

Ist der Vorrat an Fangbällen und anderen Items hoffnungslos erschöpft, lockt der optionale Griff zu echtem Geld. Nach üblichem Freemium-Preismodell kaufen Trainer Pokémünzen, mit denen im Ingame-Shop nach Herzenslust und ohne Limits Verbrauchsgegenstände eingekauft werden können.

Spielerisch lassen sich die Münzen mühsam und mit strengen Tageslimits durch die Eroberung und Verteidigung von Kampfarenen verdienen. Ein zäher Prozess, der in Gruppen als Team am meisten Erfolgsaussicht hat. Nutzern, die zu Hause bleiben und nicht unmittelbar neben einer solchen Kampfarena wohnen, bleiben diese wenigen kostenlosen Münzen in der Pandemiezeit weitgehend verwehrt, sofern sie sich an die Lockdown-Regeln und Empfehlungen zur Kontaktbeschränkung halten.

Niantic hatte eine einzige gute Idee - kurz

Mitte 2020 hatte Niantic diesbezüglich eine wirklich gute Idee, die sich wie ein ehrlich gemeintes Geschenk anfühlte. Mit teilweise anspruchsvollen, aber stets lösbaren Ingame-Challenges durften Spieler in Pokémon Go täglich 20 Goldmünzen (Gegenwert: etwa 20 Cent) zum Einkaufen im Onlineshop einsammeln, egal ob sie Monster in Arenen stehen hatten oder nicht. Es reichte, beim normalen Fangen ein paar perfekte Würfe zu schmeißen oder mehrere Pokémon weiterzuentwickeln, um die Extramünzen binnen von Minuten zu verdienen.

Diese 20 Münzen pro Tag waren den Entwicklern bei genauerer Überlegung dann aber offenbar doch zu viel. Gerade als das Coronavirus im Herbst immer weiter um sich griff und sogar noch mehr Länder als zuvor in strenge Lockdowns gingen, zog Niantic seine Spendierhosen wieder aus und strich das laut eigenen Angaben nur als Experiment gedachte Bonusmünzen-System ohne Anzeichen von Rückkehr aus der App.

Monster miteinander zu tauschen, ohne physisch an ein und demselben Ort zu sein, wäre bereits vor Corona als Komfortfunktion wünschenswert gewesen. Bisher wurde auch diese Funktion mit stark erweiterter, aber nach wie vor limitierter Reichweite nur temporär ausprobiert.

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Wie Niantic auf Corona hätte reagieren sollen 
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gorsch 16. Feb 2021

Von all den Beispielen, die du jetzt bringen könntest, nimmst du ausgerechnet Wuhan...

Psy2063 16. Feb 2021

Nicht nur durch immer mehr pay2win sondern hauptsächlich die absolut unterirdische...

FoH 15. Feb 2021

Ja gibt es noch und es wird viel gespielt. Update sowie neue Versionen kamen auch raus...

Gunslinger Gary 15. Feb 2021

Du kämpfst wie eine Kuh!



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