Cyberbunker-Prozess: Die Darknet-Schaltzentrale über den Weinbergen

Hinter dem Prozess gegen die Cyberbunker-Betreiber von der Mittelmosel verbirgt sich eine wilde Geschichte. Von "bunkergeilen" Internetanarchos bis zu polizeilich gefakten Darknet-Seiten.

Eine Recherche von veröffentlicht am
Der Eingang zum Cyberbunker auf dem Mont Royal in Traben-Trarbach
Der Eingang zum Cyberbunker auf dem Mont Royal in Traben-Trarbach (Bild: Friedhelm Greis/Golem.de)

Am 2. September 1978 war viel los auf dem Mont Royal hoch über dem Moselstädtchen Traben-Trarbach. Das neu gegründete Amt für Wehrgeophysik hatte zu einem pompösen Tag der offenen Tür geladen. Die Schüler der weiter unten am Berg gelegenen Realschule waren beeindruckt von den herumfliegenden Hubschraubern und dem zur Schau gestellten Kriegsgerät. Das Herzstück der Anlage, der unterirdische Nato-Bunker, blieb ihnen jedoch verborgen.

42 Jahre später ist das frühere Bundeswehramt als "Darknet-Schaltzentrale" zu nationaler und internationaler Bekanntheit gelangt. Dahinter verbirgt sich eine wilde Geschichte von "bunkergeilen" Internetanarchos, programmierenden Rechtsextremisten, untergetauchten Drogenhändlern und liebestollen Verteidigungsministern. Von Gebäuden aus der Nazi-Zeit bis zu hochmodernen Rechenzentren tief in der Erde, in denen am Ende das halbe Darknet gehostet worden sein soll. Was ist von dem Prozess gegen acht Angeklagte zu erwarten, der am 19. Oktober in Trier beginnt?

Bravo-Starschnitte statt Bundeswehrpostern

Keine Bange: Was sich wie ein typischer szenischer Einstieg in einem Magazin liest, ist mir nicht nur vom Hörensagen bekannt. Als Siebtklässler bin ich selbst 1978 mit meinen Schulkameraden den kurzen Weg auf den Berg gewandert. Die damals abgegriffenen Bundeswehrposter zierten lange mein Kinderzimmer, bevor sie von Bravo-Starschnitten überklebt wurden.

Das Amt, wie es an der Mosel genannt wurde, gehörte als nicht unbedingt typische Bundeswehreinrichtung zum Alltag dazu. Die älteren Männer, die mit uns im roten Schienenbus zum Trabener Bahnhof fuhren und dort, im Gegensatz zu uns Schülern, von einem Kleintransporter abgeholt wurden, hatten allerdings wenig Militärisches.

Wichtiger Arbeitgeber für die Region

Was sie genau da oben auf dem Berg machten, erschloss sich uns erst später. Denn im Laufe der Zeit lernten wir etliche der 300 bis 400 Menschen kennen, die dort arbeiteten. Oder zumindest deren Töchter.

Das Amt wurde ein wichtiger Arbeitgeber für die Region. Nicht nur zugezogene Experten fanden dort einen Job, sondern auch mehrere Schachkumpel aus dem Dorf, die in der Fernmeldeabteilung arbeiteten und immer die aktuellsten Wetterprognosen kannten. Denn das war die eigentliche Aufgabe des Amtes: Wettervorhersagen für Heer, Luftwaffe und Marine der Bundeswehr zu liefern.

  • Der Cyberbunker liegt oberhalb von Traben-Trarbach auf dem Mont Royal. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Auf dem Gelände des früheren Amtes für Wehrgeophysik befinden sich noch zwei weitere Gebäude. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Das Gelände hat eine Gesamtfläche von 13 Hektar. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Der Eingang befindet sich (links oben im Bild) hinter dem Antennenmast. Gegenüber haben sich Speditionen angesiedelt. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Zum Zeitpunkt des Verkaufs war die Liegenschaft noch deutlich besser gepflegt. (Foto: LKA Rheinland-Pfalz)
  • Der Altbau wurde 1938/39 als Rohbau einer Luftwaffenschule errichtet, jedoch erst Mitte der 1970er Jahre fertiggestellt. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • In der Mitte des Bildes sind die grünen Türme des Bunkers zu erkennnen. Im Hintergrund ist der Tower des Flugplatzes zu sehen. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Am Eingang erinnert noch viel an den früherern Besitzer des Geländes, die Bundeswehr. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Rechts neben dem Eingang befindet sich die frühere Wache. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Die Gegensprechanlage ist herausgerissen. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Seit September 2019 ist das komplette Gelände beschlagnahmt, ein Verkauf ist nicht möglich. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Die Adresse des Cyberbunkers lautet: Über den Weinbergen 1. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Die kleinen Rottweiler-Welpen wurden zu Wachhunden ausgebildet. (Foto: Privat/Golem.de)
  • Am 25. September 2019 stürmten Hunderte Beamte das Gelände. (Foto: LKA Rheinland-Pfalz)
  • Im 1. Untergeschoss, der sogenannten gelben Sole, befanden sich die Büros des Cyberbunkers. (Foto: LKA Rheinland-Pfalz)
  • Das Rechenzentrum versprach "bulletproof hosting" unter allen Bedingungen. (Foto: LKA Rheinland-Pfalz)
  • Die 100 bis 200 Arbeitsplätze, die der niederländische Eigentümer versprochen hatte, wurden nie geschaffen. (Foto: LKA Rheinland-Pfalz)
  • Im Bunker gab es auch gemütliche Ecken. (Foto: LKA Rheinland-Pfalz)
  • Im 2. Untergeschoss befand sich der Serverraum. (Foto: LKA Rheinland-Pfalz)
  • Bei der Razzia wurden mehr als 400 Server sichergestellt. (Foto: LKA Rheinland-Pfalz)
  • Die Versorgungstechnik im Bunker sollte den Betrieb auch im Ernstfall sicherstellen. (Foto: LKA Rheinland-Pfalz)
  • Für eine unterbrechungsfreie Stromversorgung gab es Batterien. Anschließend sprangen die Dieselaggregate an. (Foto: LKA Rheinland-Pfalz)
  • Auch im Innern des Bunkers erinnert noch viel an den früheren Betreiber. (Foto: LKA Rheinland-Pfalz)
Der Cyberbunker liegt oberhalb von Traben-Trarbach auf dem Mont Royal. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)

Das Gelände selbst ließen wir links liegen. Der Moselaner an sich interessiert eher für Weinkeller als für Bunker. Der Altbau, eine in den Jahren 1938/39 begonnene, aber nie fertiggestellte Luftwaffenschule, thronte behäbig über der Straße zum Mont Royal. Der Neubau, das sogenannte Atrium, lag geschützter und war besser von der gegenüberliegenden Moselseite in Starkenburg zu erkennen. Einen Tag der offenen Tür mit Bundeswehrpostern gab es dann nicht mehr. Das wäre in Zeiten der Friedensbewegung ohnehin nicht mehr cool gewesen.

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Ein höflicher Niederländer 
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taktv6 15. Okt 2020

Die Anbindung des Autonomen Systems (AS) der Calibour GmbH erfolgte durch einen Upstream...

Prypjat 15. Okt 2020

Aber bitte nur mit gelöschtem Licht, sonst ist es nicht wirklich Dark ^^

genussge 15. Okt 2020

In absehbarer Zeit könnte man auch einfach die ursprüngliche Funktion wieder in Anspruch...

Plasma 14. Okt 2020

Der war gut :-D Ob der besonders rau im Abgang ist?



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