Ifa 2020: Publikumsmesse ohne Publikum
Special Edition nennt die Ifa ihre diesjährige Messe. Bei unserem Besuch fanden wir sie speziell leer und speziell langweilig, hatten dafür aber reichlich Betreuung.
Unser Ifa-Tag beginnt mit einem Problem: Unser Ticket ist nicht gültig. Was normalerweise zu einem Stau in der Check-in-Schlange und der hilflosen Suche nach dem Schalter für die Akkreditierungen führen würde, ist an diesem Messetag schnell behoben. Die nette Frau mit dem Scanner für unsere Eintrittskarte weist ans andere Ende der riesigen leeren Halle und sagt: "Da lassen Sie sich einfach ein neues ausdrucken!"
Wo sich sonst Menschen mit ähnlichen Problemen wie wir, verlorenen Taschen, Telefonen oder einfach mit Redebedürfnis die Füße platt stehen, kümmern sich nun gleich drei Damen um unser neues Ticket. Dieser Betreuungsschlüssel zieht sich durch unseren gesamten Messetag.
Gefühlt sind für jeden Gast mindestens ein bis zwei Angestellte in den Hallen unterwegs. Ob sie Türen bewachen, jede Oberfläche akribisch reinigen oder aufpassen, dass die Mindestabstände eingehalten werden - sie sind stets gut gelaunt. Das überträgt sich auch auf uns, wenngleich wir feststellen müssen, dass es nicht nur Vorteile hat, mit nur 999 weiteren Menschen auf einem Areal unterwegs zu sein, das für das Hundertfache an Personen konzipiert ist.
Nachdem wir zwei Journalistenkollegen getroffen haben, wollen wir zum City-Cube wandern, der eigentlich nur 100 Meter entfernt ist. Der Verbindungstunnel von der Halle zum Cube wurde jedoch gesperrt. Normalerweise, da sind wir uns schnell einig, hätten wir uns einfach trotzdem durchgeschlichen, denn niemand kann schließlich alle Türen im Blick behalten, wenn alles voller Menschen ist. Heute jedoch haben wir keine Chance.
Das Sicherheitspersonal sieht uns schon auf hundert Meter Entfernung. Wir müssen zum Haupteingang zurück, die Messe verlassen und durch einen anderen Zugang wieder hinein. Aber immerhin bekommen wir so ein wenig Bewegung. Denn um alle Stände der diesjährigen Ifa abzulaufen, bräuchte man ansonsten weniger als zehn Minuten.
Gewinner und Verlierer von Corona
Die Eröffnungspressekonferenz ist wohl der Ort, an dem sich die meisten Personen gleichzeitig aufhalten. Es sind ungefähr 350. Auf der Bühne wird die Normalität beschworen, ein Blick zur Seite zeigt das Gegenteil. Interessant sind die Zahlen, die die GfK präsentiert: nur 6 Prozent Rückgang bei den Verkäufen von Elektronik für Konsumenten im ersten Halbjahr, die Prognose für das zweite ist positiv. Klare Gewinner: Webcams, Laptops, Küchenmaschinen. Als der Teil mit der realen Bühnenpräsenz endet und eine virtuelle Pressekonferenz von Qualcomm über die riesigen LED-Wände flackert, leert sich der Raum schlagartig.
Wir haben einen Termin für ein Hands-on mit einer interessanten Kamera und entdecken die Vorteile des leeren Pressebereichs: Man kann sich in Zimmerlautstärke unterhalten und hat jede Menge Platz. Auf der anderen Seite ist das auch unser einziger Termin an diesem Tag. Es gibt einfach nichts zu berichten - und an den Stand mit dem virtuell steuerbaren Sexspielzeug trauen wir uns nicht.
Thematisch gesehen war die Ifa 2020 ein Reinfall. Zahlreiche Hersteller hatten ihre Teilnahme abgesagt, unter anderem Samsung und Sony, entsprechend uninteressant war der überwiegende Teil der Neuvorstellungen. Viele Unternehmen, die zum Zeitpunkt des ersten Ifa-Tages Produkte zeigten, taten dies virtuell und ohne Verweis auf die Messe selbst - auch aus rechtlichen Gründen.
Abschied ohne Neuigkeiten
Es fragt sich, ob sich die Messe Berlin einen Gefallen damit getan hat, im Corona-Jahr 2020 die Ifa in dieser reduzierten und tendenziell langweiligen Form durchzuziehen. Sicherlich werden die Veranstalter in Zukunft von sich behaupten können, die Ifa trotz Corona abgehalten zu haben. In den Köpfen vieler werden aber wohl vor allem die leeren Hallen und die fehlenden Neuigkeiten bleiben.
Wir packen unsere Ausrüstung zusammen und machen uns auf den Weg zum Ausgang. Vorher wollen wir noch herausfinden, was die virtuelle Ifa-Welt im Web so zu bieten hat. Im Laufen sehen wir uns auf dem Smartphone den 360-Grad-Ifa-Stand von LG an. Zu sehen sind sehr saubere, sehr leere Hallen. Wir nehmen den Blick vom Display und schauen uns um: sehr realistisch umgesetzt, LG!
Oder einfach Fachbesuchertage plus Hinterzimmer. Um die Jäger-und-Sammler kümmern sich...