Datenschutz bei MyAnalytics: Microsoft weiß, wo deine freie Zeit bleibt
Mit dem Analytics-Modul kann das Verhalten von Office-365-Nutzern ausgewertet werden. Den Einsatz müssen Unternehmen bereits vor dem Rollout mit Betriebsrat und Datenschutzbeauftragen abklären - wenn sie davon wissen.
Für die Redaktionsarbeit hat Golem.de eine Lizenz für Microsoft 365 erworben. In dem Paket für Unternehmenskunden sind enthalten: Office 365 und mehrere Module, darunter ein Analytics-Werkzeug. Einige Wochen nach dem Umstieg erhielt ein Redakteur eine E-Mail mit dem Betreff "MyAnalytics | Wohlbefinden-Ausgabe". Darin warb Microsoft: "Ihre Gewohnheiten erkunden. Intelligenter arbeiten" und raunte: "Nur für Sie bestimmt". Dann ging es sofort ans Eingemachte: Unter der Rubrik "Ihr Monat im Rückblick: Wohlbefinden" wies Microsoft darauf hin, dass der Redakteur im vergangenen Monat gerade mal "1 ruhigen Tag" hatte.
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Warum wusste der Konzern das? Er hatte schlicht die "Besprechungs-, E-Mail-, Chat- und Anrufaktivitäten außerhalb der Arbeitszeit, wie sie in Outlook festgelegt ist", ausgewertet. Auf einem Kalenderblatt zeigte er übersichtlich an, dass der ruhige Tag an einem Freitag war. Folgerichtig beantwortete er in seiner Wohlbefinden-Mail auch gleich die naheliegende Frage: "Herausfinden, wo Ihre Zeit bleibt". Ein Wechsel zum persönlichen Dashboard genüge, um zu sehen, "wer sich in Ihrem Netzwerk befindet, wie viel Sie nach Feierabend arbeiten und mehr".
Die Benachrichtigungen ließen sich sofort deaktivieren. Doch wie war es überhaupt dazu gekommen? Der Systemadministrator hatte die Funktion nicht aktiviert. Microsoft hatte im vergangenen Jahr lediglich in einigen Newslettern angekündigt, zuletzt am 23. Juli, dass dieses Feature für alle Nutzer mit Exchange-Online-Lizenz ausgerollt werden soll. Die Funktionen waren nach dem Rollout automatisch aktiv.
Für Thilo Weichert, der sich als ehemaliger schleswig-holsteinischer Datenschutzbeauftragter schon früh mit Office 365 und der Frage von Datenschutz in Unternehmen auseinandergesetzt hat, ist klar: "Das geht so gar nicht." Denn für den Betroffenen sei es nicht nachvollziehbar, wie das System zu seinen Ergebnissen komme. Die Datenverarbeitung gehe weit über das Erforderliche hinaus, dabei müssten die Grundeinstellungen des Systems eine datensparsame Verarbeitung vorsehen.
"Die Vermessung der Belegschaft"
"Die Vermessung der Belegschaft" ist bereits seit Jahren ein Thema bei Betriebsräten und Gewerkschaften. Sie haben ein Wörtchen mitzureden, wenn es um die Erfassung von Arbeitnehmerdaten geht. Alle Daten, die der Verhaltens- oder Leistungskontrolle dienen, sind nämlich mitbestimmungspflichtig. Wie weit diese gehen darf, kann in einer Betriebsvereinbarung festgeschrieben werden.
Die Hans-Böckler-Stiftung hat deshalb dazu eine eigene Handreichung (PDF) veröffentlicht, in der sie unter anderem das Office-Paket von Microsoft für die Cloud unter die Lupe nimmt. Aktualisiert und weitergeführt wurde diese mit dem am 2. März 2020 veröffentlichten Dossier Automatisiertes Personalmanagement und Mitbestimmung der Nichtregierungsorganisation Algorithm Watch, das von der Stiftung finanziert wurde.
"Was welcher Nutzer mit welchem Softwaretool an welchem Dokument macht oder was er wem schickt, alles wird aufgezeichnet", stellen hier der Informatiker Hein-Peter Höller und der Arbeitsrechtler Peter Wedde fest. Damit bilde sich ein sozialer Graph "gigantischen Ausmaßes". Und das nicht nur für ein Unternehmen, sondern für alle, die Office 365 nutzen.
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