Mädchen und IT: Fehler im System

Bis zu einem gewissen Alter sind Jungen und Mädchen gleichermaßen an Technik interessiert. Wenn es dann aber um die Berufswahl geht, entscheiden sich immer noch viel mehr junge Männer als Frauen für die IT. Ein wichtiger Grund dafür ist in der Schule zu suchen.

Artikel von Valerie Lux veröffentlicht am
Mädchen trauen sich am Computer oft weniger zu als Jungen.
Mädchen trauen sich am Computer oft weniger zu als Jungen. (Bild: Justin Sullivan/Getty Image)

Wenn wir über Frauen in der IT schreiben, tauchen in unserem Forum einige Argumente immer wieder auf. Wir haben uns die häufigsten vorgenommen und hinterfragt: Stimmen sie?

Diesmal: In der Schule wird Mädchen die Lust auf Informatik verdorben.

TL;DR: Studien zeigen, dass die Einstellung "Jungen sind gut in Mathe" und "Mädchen sind gut in Sprachen" immer noch recht weit verbreitet ist. Das hat weniger Auswirkungen auf die Noten – Mädchen sind meist ganz gut in Mathe – als auf die Motivation. Nach wie vor trauen sich viele Mädchen einen technischen Beruf nicht zu. Oft fehlt ihnen auch der natürliche Umgang mit Computern, den sich Jungs zum Beispiel beim Computerspielen oder -basteln früh aneignen.

"Es war super merkwürdig", erzählt Telle Whitney über ihre Erinnerung an den ersten Computerkurs auf dem College im Jahr 1973 im US-Bundesstaat Utah. "Die Männer um mich herum waren nicht an Frauen gewöhnt." Jedes Mal, wenn sie in der Nähe gewesen sei, hätten ihre Klassenkameraden sich sichtbar unwohl gefühlt und Augenkontakt vermieden. Wenn einer von ihnen versucht habe, ein Gespräch mit ihr zu führen, und sei es auch nur über das Wetter, sei er jedes Mal so nervös geworden, dass er oft in der Mitte des Satzes aufgehört habe zu sprechen.

Die Schilderungen der Informatikerin Whitney stammen aus dem Buch Brotopia – Breaking Up the Boys' Club of Silicon Valley der US-Technikjournalistin Emily Chang. Obwohl die Anekdote schon 40 Jahre her ist, ist sie vermutlich auch noch heute aktuell. Nach wie vor liegt der Anteil der Frauen unter IT-Spezialisten in Deutschland bei nur 17 Prozent. Der Verdacht liegt nahe, dass die Strukturen des Boys' Club schon in der Kindheit und Jugendalter angelegt werden. Was passiert in diesem Alter in der Schule?

Urs Lautebach ist zweiter Sprecher des Verbands Informatiklehrerinnen und -lehrer in Baden-Württemberg. Er beobachtet in seinem Unterricht, dass die Technikaffinität bei Jungen und Mädchen vor der Pubertät gleichermaßen vorhanden ist. "Wir erleben in der fünften Klasse einen sehr enthusiastischen und von Hemmungen vollkommen unbelasteten Zugang auch von Mädchen zum Thema Informatik. Etwa ab der siebten Klasse werden geschlechtsspezifische Rollenzuschreibungen auf einmal sehr viel wichtiger, viele Mädchen halten sich dann plötzlich zurück", sagte Lautebach Golem.de.

Die Pädagoginnen Astrid Jakob und Claudia Schneider erklären diese unbewusste Anpassung in der Pubertät mit der Kategorisierung von Wissenschaftsdiziplinen, die Geschlechtern zugeordnet werden. Das Verständnis von Wissenschaften werde in den Vorurteilen von "weichen" Themen widergespiegelt, die als "weiblich" bezeichnet würden, während "harte" Disziplinen als "männlich" wahrgenommen würden, schreiben die beiden Pädagoginnen in ihrem Aufsatz Geschlechtergerechter Zugang zu Technik.

"Technik wird allgemein als 'harte' Wissenschaft bezeichnet, dies spiegelt sich auch in dem androzentrischen Technikbegriff wider, der Technik weitgehend mit Maschinen gleichsetzt und Frauen – aber auch Männer aus nichtokzidentalen Kulturen – für technisch inkompetent erklärt", schreiben die Autorinnen. Sprich: Der Mann agiere als rationale Maschine und interessiere sich deswegen für Technik, die Frau sei das gefühlvolle emotionale Wesen, das sich deswegen nicht für "harte" Wissenschaften erwärmen könne.

Solche Rollenvorstellungen halten sich hartnäckig in den Köpfen pubertierender Jugendlicher (und später Erwachsener). Laut der von Microsoft im Jahr 2017 durchgeführten Studie The When & Why of STEM Gender Gap glaubt fast jedes vierte Mädchen von sich selbst, dass es in MINT-Berufen niemals so gut sein werde wie ein Junge. Auch der Gleichberechtigung im Allgemeinen stehen viele Jugendliche demnach skeptisch gegenüber. Dass die Gleichstellung von Frauen und Männern beruflich und privat konsequent durchgesetzt werden sollte, für diese Haltung kann sich nur ein gutes Drittel der Jugendlichen von 14 bis 17 Jahren erwärmen.

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  •  Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2014): "Jungen und Männer im Spagat: Zwischen Rollenbildern und Alltagspraxis". Eine sozialwissenschaftliche Untersuchung zu Einstellungen und Verhalten" Autor: Prof. Dr. Carsten Wippmann.
  • Statistik der Bundesagentur für Arbeit  (2017): Berichte - Blickpunkt Arbeitsmarkt: MINT-Berufe.
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2014): "Jungen und Männer im Spagat: Zwischen Rollenbildern und Alltagspraxis". Eine sozialwissenschaftliche Untersuchung zu Einstellungen und Verhalten" Autor: Prof. Dr. Carsten Wippmann.
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