Aufbruch zum Mond: Die schönste Fake-Mondlandung aller Zeiten

Hollywood-Romantiker Damien Chazelle (La La Land) möchte sich mit Aufbruch zum Mond der Person Neil Armstrong annähern, fördert dabei aber kaum Spannendes zutage. Atemberaubend sind wie im wahren Leben dagegen Armstrongs erste Schritte auf dem Mond, für die alleine sich ein Kinobesuch sehr lohnt - der Film startet am Donnerstag.

Eine Rezension von veröffentlicht am
Ryan Gosling als Neil Armstrong
Ryan Gosling als Neil Armstrong (Bild: Universal Pictures)

Wir gehen davon aus, dass die dem Film zugrundeliegenden Ereignisse bekannt sind und beschreiben zwecks Analyse Szenen aus dem fortgeschrittenen Teil der Handlung. Wer in der Schule aufgepasst hat und über ein Mindestmaß an Allgemeinbildung verfügt, sollte sich an den Spoilern in dieser Filmkritik nicht stören.

Inhalt:
  1. Aufbruch zum Mond: Die schönste Fake-Mondlandung aller Zeiten
  2. Weltraumhorror ohne Aliens

Der Weltraum, unendliche Weiten, die wir jedoch nur durch ein schmales Fenster erahnen können. Alles vibriert, selbst der Blick auf die Instrumente am Armaturenbrett fällt schwer. Ständiges Klappern, Brummen und Klirren fährt uns durch Mark und Bein, die Geräuschkulisse kommt der eines Horrorfilms gleich. Zwischendrin die weit aufgerissenen Augen der Piloten, als wären wir nur Zentimeter vor ihnen entfernt. Wir krallen uns fest an unsere Stuhllehnen und sind froh, dass wir in einem bequemen Kinosessel sitzen. Und nicht in einer Nasa-Raumkapsel der frühen 60er Jahre, wie wir sie auf der Leinwand von innen, in einer späteren Szene sogar mitsamt Besatzung verbrennen sehen.

Wann immer uns Aufbruch zum Mond auf Nasa-Testflüge, zum High-G-Training in die Zentrifuge oder ganz zum Schluss auf die Mondmission Apollo 11 mitnimmt, verschlägt es uns den Atem. Allerdings haben wir zwischen diesen Szenen auch sehr viel Zeit zum Luft holen, denn das Privatleben von Neil Armstrong kann den visuell sehr sehenswerten Film als zentrale Geschichte nicht durchgehend tragen.

Ein erster Mensch und viele Statisten

Aufbruch zum Mond, der am Donnerstag in die deutschen Kinos kommt, ist im weitesten Sinne ein Film über die physischen, seelischen aber auch familiären Strapazen vieler Männer, die auf dem Weg zur ersten bemannten Mondlandung bei Testflügen in klapprigen Fluggeräten ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben. Zuallererst ist es aber ein Film über den Menschen Neil Armstrong, über den ersten Menschen, der je einen Schritt auf den Mond gesetzt hat. Ähnlich wie in den Geschichtsbüchern bleiben Weggefährten wie Buzz Aldrin, der zweite Mann auf dem Mond, nur Statisten am Rande und auch die geschichtliche Einordnung im betrachteten Zeitraum zwischen 1962 und 1969 beschränkt sich aufs Allernötigste.

Das eng an die autorisierte Armstrong-Biografie (First Man) angelehnte Drehbuch lässt Amerikas Space Race mit Russland und den damit einhergehenden Erfolgsdruck auf die Nasa beispielsweise nicht unerwähnt, es gibt der belasteten Ehe zwischen Janet und Neil Armstrong aber viel mehr Raum. Claire Foy (The Crown) stellt ausdrucksstark dar, wie die Astronautengattin zunehmend daran verzweifelt, sich alleine um die gemeinsamen Kinder zu kümmern und gleichzeitig ständig um das Leben ihres Mannes fürchten zu müssen. Nach wenigen Szenen ist die Situation jedoch klar und die Erzählung weiß der Ausgangslage nichts mehr hinzuzufügen.

Mondreise als Trauerbewältigung

Zumal es ein schwerer Schicksalsschlag ganz zu Anfang des Films ist, der dem in sich gekehrten Charakter des Neil Armstrong am stärksten seinen Stempel aufdrückt. Den Tod seiner zweijährigen Tochter im Januar 1962 kann der ehemalige Kampfpilot mit Kriegserfahrung viele Jahre nicht verarbeiten. Der ohnehin schon introvertierte Theoretiker nimmt am Alltag nur noch sporadisch teil, flüchtet sich in seine Arbeit und letztendlich dann zum Apollo-Projekt. Den Höhepunkt findet dieser erzählerische Bogen in einer emotionalen Szene auf dem Mond - einem der wenigen Momente des Films, den sich die Autoren wohl komplett selbst ausgedacht haben. Ein einsamer Armstrong im Gedenken an seine Tochter erklärt Trauerbewältigung symbolisch zum Grundthema von Aufbruch zum Mond.

  • Neil Armstrong (Ryan Gosling), Buzz Aldrin (Corey Stoll), Mike Collins (Lukas Haas) (Bild: Universal Pictures)
  • Neil Armstrong (Ryan Gosling) und Gattin Janet (Claire Foy) (Bild: Universal Pictures)
  • Deutlich sichtbares Korn zeugt vom Einsatz analoger Kameras - je nach Szene mit 16mm, 35mm oder 65mm Filmmaterial. (Bild: Universal Pictures)
  • Die Crew der Apollo 11 auf dem Weg in die Raumfähre. (Bild: Universal Pictures)
  • Neil Armstrong wird auf den Einsatz im All vorbereitet. (Bild: Universal Pictures)
Neil Armstrong (Ryan Gosling) und Gattin Janet (Claire Foy) (Bild: Universal Pictures)

Ob nun für den ersten Mann auf dem Mond selbst, mit seinem persönlichen Verlust. Oder für die Freunde und Hinterbliebenen all der Menschen, die auf dem langen Weg bis zur Apollo-11-Mission ihre Leben gelassen haben. Für die von Kritik gebeutelte Nasa, deren Zukunft nach einigen Fehlschlägen vom Ausgang der Mondmission abhängig war. Nicht zuletzt auch für die USA, deren Selbstverständnis als größte Weltmacht im Kalten Krieg gelitten hat - und für den ganzen Rest der Welt, der sich nach zwei langen Weltkriegen vor den Fernsehern versammelt hat, um einen Meilenstein der Menschheitsgeschichte mitzuerleben.

Dass Aufbruch zum Mond nicht durchweg vor plakativem Patriotismus trieft, wurde ihm schon vor Filmstart von vielen Amerikanern angekreidet. Insbesondere die Tatsache, dass Regisseur Damien Chazelle darauf verzichtet, das Aufstellen der US-Flagge auf der Mondoberfläche explizit zu zeigen, sorgte in nationalen Nachrichten und bei Social Media für entrüstete Kommentare. Dabei macht der Film unserer Meinung nach an genügend anderen Stellen unmissverständlich klar, dass es sich bei Apollo 11 um ein US-amerikanisches Projekt handelte, die Mondlandung an sich aber eben auch ein Erfolg für die gesamten Menschheit ist.

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Weltraumhorror ohne Aliens 
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