Datenrettung: Zwischen Schlüsseldienst und Uhrmacher
Eine ruhige Hand und viel Erfahrung: Das braucht man bei der Wiederherstellung einer kaputten Festplatte. Wir haben Datenrettern über die Schulter geschaut.
Ich stehe hinter einem jungen Mann und beobachte gebannt, wie er den winzigen Schreib-Lese-Kopf samt Laufwerksarm einer Festplatte aus dem Gehäuse löst. Jede der Schrauben entfernt er mit einer Pinzette und legt sie in einen Sortierkasten rechts von ihm. Dabei trägt er Gummihandschuhe und beugt sich immer wieder über die Edelstahlplatte seines Tisches, um sich zu vergewissern, dass er keine Fehler macht. Vorsichtig entnimmt er einer anderen Platte ebenfalls den Kopf und setzt ihn stattdessen ein. Das alles spielt sich in einer Art kleiner Telefonzelle, einem Reinraum-Arbeitsplatz, ab. Ich bin bei Data Reverse, einer auf Datenrettung spezialisierten Firma in Leipzig.
- Datenrettung: Zwischen Schlüsseldienst und Uhrmacher
- Die Priorität entscheidet über den Preis
- Kopf für Kopf
Für mich war wie für viele andere der physische Aspekt von Datenrettung immer ein Mysterium. Deshalb packte mich die Neugier, als ich ein paar Wochen zuvor per Facebook diese Nachricht meiner Freundin Grit, einer Gesamtschullehrerin, erhielt: "Hallo Martin, da du ja ein technisch versierter Mensch bist, dachte ich, du könntest mir vielleicht einen Tipp geben, wie ich meine Daten von meiner gestern geschrotteten, weil auf den Boden gefallenen externen Festplatte bekommen kann. Und zwar für weniger als 1.600 Euro, die Summe wurde mir vorhin genannt. Die Daten kann anscheinend nur eine Spezialfirma holen. Das ist alles richtig blöd, weil da alle meine Unterrichtsvorbereitungen der letzten Jahre drauf sind. Hast du eine Idee? Viele Grüße Grit".
Bisher hatte ich mich noch nie eingehender mit Datenrettung beschäftigt. Klar, denn sie wird ja auch erst dann wichtig, wenn es schon zu spät ist – ähnlich wie ein Schlüsseldienst. Es gibt noch mehr Parallelen, wie sich später herausstellt. Ich mache mich also auf die Suche nach Rettung für Grits Festplatte. Nach einer kurzen Recherche stoße ich auf die Leipziger Firma Data Reverse – und die Datenbergungsmission beginnt.
Persönliche Betreuung statt Callcenter
Am Anfang jeder Datenrettung stehen immer eine telefonische Beratung und die Analyse des Datenträgers. Die kostet 69 Euro und ihr Ergebnis steht in der Regel nach wenigen Tagen fest. Auf der Webseite von Data Reverse eröffne ich per Kontaktformular ein Ticket und werde wenig später von Frau Rieder angerufen, die mir die weiteren Schritte erklärt. Sie vermeidet technische Begriffe so gut es geht und fragt mich über den Hergang des Unfalls aus: Aus welcher Höhe ist die Platte gestürzt? 50 Zentimeter. Wurde danach versucht, sie wieder an einen PC anzuschließen? Ja. Wurde sie gar geöffnet? Nein. Auch Modell, Dateisystem und eine eventuelle Datenverschlüsselung notiert sie für die Techniker.
Ich verpacke die Festplatte sicher und schicke sie nach Leipzig. Einige Tage später erhalte ich einen weiteren Anruf von Frau Rieder. Das Ergebnis der Untersuchung: Totalschaden, der Festplattenkopf ist beim Sturz auf der Oberfläche der Platte entlang geschrammt. So weit, so erwartbar. Die Datenrettung sei möglich und die Prozedur Standard, sagt sie. Data Reverse garantiere, dass mindestens 95 Prozent von Grits Unterrichtsmaterial wiederhergestellt werden. Sie weist aber auch auf das Risiko eines kompletten Verlustes hin. Das wäre in Grits Fall schon ziemlich dramatisch, denn die Arbeit mehrerer Jahre wäre futsch – und das nur wegen einer Unachtsamkeit beim Herausziehen der Platte aus dem schuleigenen PC. Wenn die Rettung fehlschlägt, müsse ich nicht zahlen, sagt Frau Rieder – lediglich die 69 Euro für die Analyse wären verloren.
Data Reverse wickelt diese Beratungsgespräche nicht über ein Callcenter ab, sondern beschäftigt ein kleines Team von eigens geschulten Mitarbeitern. So ist sichergestellt, dass jeder Kunde immer mit seinem persönlichen Berater sprechen kann. Das sei wichtig, sagt Frau Rieder, denn oft seien die Betroffenen stark verunsichert und aufgeregt. Dazu tragen natürlich auch die hohen Kosten einer Rettung bei. In unserem Fall sind das mindestens 1.100 Euro.
Noch eine Parallele zwischen Festplattenrettern und Schlüsseldienst: Hier wie dort sind es meist erschreckend hohe Beträge, die eine kurze Unachtsamkeit nach sich zieht. Zudem gibt es in beiden Branchen schwarze Schafe, die die Hilflosigkeit ihrer Klienten auszunutzen versuchen. Frau Rieder berichtet vom Fall einer potenziellen Kundin, die sich mit einer zerbrochenen SD-Karte meldete. Auch ohne Analyse stand unmittelbar fest, dass jeglicher Rettungsversuch in diesem Fall aussichtslos war. Trotzdem meldete sich die Frau einige Wochen später und sagte, sie habe ein Unternehmen ausfindig gemacht, das ihr versprochen habe, die Fotos ihres Großvaters für 2.000 Euro vom Datenträger zu extrahieren. Frau Rieder ließ sich daraufhin die Konditionen der Firma vorlesen und fand schnell heraus, dass es keine Rettungsgarantie gab. Das bedeutete, dass auch bei fehlgeschlagenen Versuchen ein Preis von mindestens 1.000 Euro fällig würde. Ein recht einträgliches Geschäftsmodell für die Firma, denn wenn der Chip auf der SD-Karte zerbrochen ist, kann momentan kein privater Datenretter mehr etwas ausrichten.
Für unsere Festplatte hingegen gibt es die Wahl zwischen drei Optionen.
Die Priorität entscheidet über den Preis |
Hm, also mich hat der Artikel nicht vom Hocker gehauen. Er enthält kaum tiefgreifende...
+1 Ein sehr interessanter Artikel!
Privat: Handy mit google coud PC hat nen RAID 1 drin (5 konnte ich mir leider nicht...
Es ist bekannt, dass alle einmal defekt geht... sei es CD-Spieler, Fernseher, Handy...