Fujitsu: Nur noch kurz das Land retten

Trampelnde Füße, tosender Beifall: Westliche Unternehmen machen um ihre Errungenschaften eine Riesenshow. Japaner sind da anders. Der Fujitsu-Chef Tatsuya Tanaka erklärt still und bescheiden, sein Konzern wolle Japan vor dem Untergang bewahren.

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Fujitsu-Chef Tatsuya Tanaka auf der Keynote der Hausmesse Fujitsu Forum
Fujitsu-Chef Tatsuya Tanaka auf der Keynote der Hausmesse Fujitsu Forum (Bild: Andreas Sebayang/Golem.de)

Japanische Unternehmen funktionieren anders als westliche - sie sind oft erfrischend nüchtern. So wie bei der Keynote-Ansprache des Fujitsu-Chefs Tatsuya Tanaka auf der Hausmesse des Unternehmens, dem Fujitsu-Forum. Da springt kein Firmenchef unter Jubel des Publikums ins Scheinwerferlicht. Er betritt die Bühne und verneigt sich. Und im Saal herrscht höfliche Ruhe.

Da werden keine hohlen Marketingphrasen herausposaunt und mit tosendem Beifall quittiert, nein, es werden nüchtern Zahlen zu Projekten präsentiert. Zwar offenbaren die kaum etwas zu Fujitsu selbst und sind auch keine großen Ankündigungen, was irgendwie langweilig ist. Es ist aber auch ein ehrlicherer Ansatz, der im Westen kaum gewürdigt wird.

Gleichzeitig proklamieren japanische Unternehmen mehr als westliche ihren gesellschaftlichen Auftrag. Im Gespräch mit Journalisten präsentiert der Fujitsu-Chef sein Unternehmen als einen Konzern mit der Mission, Japan zu retten. Die Sorge ums Land gehört zur japanischen Firmenkultur, was auch bei Mitsubishis Vorstellung des Regionaljets MRJ anklang.

  • Tatsuya Tanaka auf der Keynote des Fujitsu Forums (Foto: Andreas Sebayang/Golem.de)
  • Vor Journalisten gab Tanaka zu, dass sein Land am Versinken ist. (Foto: Andreas Sebayang/Golem.de)
Vor Journalisten gab Tanaka zu, dass sein Land am Versinken ist. (Foto: Andreas Sebayang/Golem.de)


Tanaka thematisierte sie vor Journalisten ungewöhnlich offen. Japan versinke. Das Land sei am Ende. Und um das zu ändern, müsse auch sein Unternehmen umgebaut werden und manche Einschnitte würden wohl schmerzhaft. Neues wollte Tanaka dazu allerdings nicht verlauten lassen. Was etwa mit der Gerätesparte passieren wird, bleibt unklar. Die angebliche Zusammenarbeit von Fujitsu mit Toshiba und Vaio? Keine Aussage.

Noch gibt es sie, Fujitsu-Notebooks und -PCs, die in Japan beziehungsweise Deutschland produziert werden. Doch auf dem Fujitsu Forum wurde das kaum kommuniziert. Die Prioritäten dieses traditionellen japanischen Großunternehmens liegen offenbar woanders: bei den gesellschaftlichen Problemen, die Fujitsu natürlich mit Technik lösen will. Die Fragen, die sich das Unternehmen dabei stellt, sind andere als die von Microsoft oder Apple. Was passiert, wenn die Gesellschaft überaltert und die Urbanisierung überhandnimmt?

Wenn alte Bauern Cloud-Gemüse anbauen sollen

So alltägliche Dinge wie der Anbau und die Anlieferung von Reis werden zu einem massiven Problem, das Fujitsu lösen will. Dafür leistet sich Fujitsu sogar den Luxus eines vergleichsweise unabhängigen Fujitsu Research Institute, das genau daran forscht. Hierzulande wird über Ähnliches gesprochen, allerdings überwiegend in Marketingbegriffen wie Industrie 4.0 und Landwirtschaft 4.0, die eine überalterte Gesellschaft sicher nicht versteht, sich sogar ausgeschlossen fühlen muss. Fujitsu spricht hingegen von der Digitalisierung traditioneller Handwerke und muss dabei gleichzeitig Probleme lösen, an denen so mancher Europäer daheim verzweifelt.

Wie bringt man 70 Jahre alten Reisbauern bei, moderne Techniken zu verwenden? Das ist wohlgemerkt das Durchschnittsalter der Reisbauern, die an das Smartphone gewöhnt werden müssen und ihre Effizienz über Internetdienste steigern sollen. Cloud-Gemüse ist eine von Fujitsus Visionen, für die ausgediente Chipfabriken in hochmoderne Gewächshäuser umgebaut werden. Denn es gibt immer weniger Nachwuchs und damit immer weniger Bauern.

Gleichzeitig muss Gemüse nicht nur effizienter produziert, sondern auch in immer enger werdende Städte gebracht werden. Mit einem Urbanisierungsgrad von 95 Prozent in Japan ist das eine Herausforderung. Lebensmittel müssen trotz Staus frisch und rechtzeitig in der Stadt ankommen. Auch andere Regionen in Asien haben diese Probleme. Ob Manila oder Jakarta, die Lieferkette in die Stadt ist ein Problem. Ein Markt für japanische Lösungen.

One Asia, one Europe

In Japan entwickelte Konzepte sollen sich leicht für den asiatischen Raum anpassen lassen. Hier profitiert das Unternehmen von seiner regionalen Stärke. Asien sei derzeit der Markt, in dem das stärkste Wachstum für Fujitsu zu verzeichnen ist, so Tanaka. Die Einkünfte außerhalb Japans sollen auf über 50 Prozent steigen. Eine der Strategien Fujitsus ist es dementsprechend, japanisches Wissen in die Welt zu tragen. Und Fujitsu will das nicht alleine machen. Der Konzern bedient zwar viele Geschäftsfelder, doch dort, wo Partner benötigt werden, will das Unternehmen verstärkt mit ihnen zusammenarbeiten. Selbst mit Kunden soll gemeinsam an Lösungen gearbeitet werden. In Japan praktiziert das Fujitsu schon mit einigen Unternehmen.

Wer Fujitsus Aktivitäten in Deutschland kennt, könnte meinen, dass hier von einem völlig anderen Unternehmen die Rede ist. Tatsächlich ist Fujitsu Europa vergleichsweise unabhängig von der Konzernzentrale und Tanaka versicherte, dass dies auch so bleiben soll. Die Entscheidungen sollen, egal ob für Asien (ohne Japan) oder Europa, regional getroffen werden. Dabei soll in allen Regionen allerdings künftig stärker für Japan und seine Technik geworben werden. Die Welt habe vergessen, was Japan alles kann, sagt Tanaka. Japan ist nicht mehr die Nummer 1. Fujitsu hat sich nur ganz bescheiden vorgenommen, das zu ändern.

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