Kernfusion: Iter ist auf dem Weg

Die Erwartungen sind groß: Es geht um nichts weniger als die Energieversorgung der Zukunft und die größte Baustelle Europas. Doch der internationale Fusionsreaktor Iter lässt auf sich warten.

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Fusionsreaktor Iter: eigene Währung entwickelt
Fusionsreaktor Iter: eigene Währung entwickelt (Bild: Iter)

Die Zukunft der Energieversorgung? Oder ein gigantisches Euro-Grab, das nie fertig wird? Die Meinungen zum International Thermonuclear Experimental Reactor sind gespalten. Das ist der Fusionsreaktor, der in Cadarache in Südfrankreich gebaut wird. Die Abkürzung Iter ist lateinisch und bedeutet Weg - doch der ist in diesem Fall ziemlich steinig. Wenn von dem Großprojekt die Rede ist, geht es meist um schlechte Nachrichten: Die Anlage geht noch später in Betrieb als geplant. Dafür wird sie noch teurer. Was aber passiert im Tal der Durance, nordöstlich von Aix-en-Provence?

Zunächst: Es ist Europas größte Baustelle. Neben der Halle für den Fusionsreaktor selbst entstehen 38 weitere Gebäude. Und diese Halle hat schon beträchtliche Ausmaße: Sie ist 120 Meter lang und 80 Meter breit. Der Boden besteht aus einer 1,5 Meter dicken Betonschicht. Darin wird der Reaktor stehen: ein Stahltank, 30 Meter hoch, 30 Meter im Durchmesser, 23.000 Tonnen schwer.

Deuterium und Tritium fusionieren

In dessen Innerem wird sich der Reaktor befinden: eine ringförmige Kammer mit einem Radius von 6,2 Metern. Umgeben ist die Kammer von 18 supraleitenden Magneten mit der Form eines D - jeder mit einem Gewicht von 310 Tonnen. Diese Magnete erzeugen ein Magnetfeld, in dem ein Wasserstoffplasma eingeschlossen wird und in dessen Kern die Wasserstoffisotope Deuterium (D) und Tritium (T) fusionieren sollen.

  • Die Iter-Baustelle in Caradrache in Südfrankreich im September 2015 (Foto: Matthieu Colin/Iter)
  • Zu erkennen ist die Montagehalle, in der Komponenten des Fusionsreaktors vormontiert werden. (Foto: Matthieu Colin/Iter)
  • Das Reaktorgebäude entsteht daneben. Der Reaktor wird über 70 Meter hoch, davon sind 13 Meter unter der Erde. (Foto: Matthieu Colin/Iter)
  • 2007 war das Gelände gerodet. (Foto: AIF-VDC)
  • Drei Jahre später war es aufgeschüttet und die Baugrube ausgehoben. (Foto: Altivue-AIF)
Die Iter-Baustelle in Caradrache in Südfrankreich im September 2015 (Foto: Matthieu Colin/Iter)

Damit das passiert, muss zwar viel Energie aufgewendet werden. Aber dafür wird das Zehnfache an Energie freigesetzt. Die Kernfusion gilt als Energiequelle der Zukunft. Am Iter soll erstmals eine Kernfusion mit einer positiven Energiebilanz durchgeführt werden - also gezeigt werden, dass die Energieversorgung der Sterne auch auf der Erde möglich ist. An dem Projekt sind die Europäische Union (EU), China, Indien, Japan, Russland, Südkorea und die USA beteiligt.

Der Reaktor sitzt zum Teil unter der Erde

13 Meter tief sitzt der Fusionsreaktor in der Erde - und wird oben noch 60 Meter über den Boden herausragen. Er wird auf einem Sockel ruhen, der Krone. Das ist eine 4 Meter hohe und 3 Meter dicke Betonwand und laut dem Iter-Projekt sowohl aus struktureller als auch aus Sicherheitsperspektive einer der wichtigsten Teile der Anlage. Der Boden, auf dem die Krone steht, sowie die Krone selbst seien fertig, sagt Iter-Sprecherin Sabina Griffith im Gespräch mit Golem.de.

In etwa zwei Jahren werde der Tokamak-Komplex weitgehend fertig sein - der Tokamak, ein hohler Ring, ist die Kammer, in der die Fusion stattfinden soll. Dann werde mit der Montage des Fusionsreaktors begonnen. Erste Komponenten dafür sind bereits in Frankreich eingetroffen: die Bodenplatte des Cryostaten etwa, mit 1.250 Tonnen das schwerste Teil des Reaktors, die in Indien gefertigt wurde, die Kühlwassertanks aus den USA oder Transformatoren aus Südkorea.

Die Montagehalle ist fast fertig

Sie werden in der Montagehalle gelagert, einer Halle mit einer Grundfläche von 6.000 Quadratmetern, die weitgehend fertig ist. Hier werden Komponenten vormontiert, bevor sie dann in den Reaktor eingebaut werden. Die Montage werde schrittweise erfolgen, sagt Griffith.

So soll das erste Plasma erzeugt werden, noch bevor der ganze Reaktor fertig ist - aus Vorsicht: Sollten die supraleitenden Magnete nicht einwandfrei funktionieren, könne es auch in Cadarache zu einem Unfall wie 2008 beim Large Hadron Collider kommen, dem Teilchenbeschleuniger des europäischen Kernforschungszentrums Cern. Um zu vermeiden, dass die ganze Maschine wieder auseinandergenommen werden muss, soll es schon während des Baus Tests geben.

Wann das erste Plasma oder gar die erste Fusionsreaktion am Iter stattfinden wird, ist allerdings noch unklar.

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o 01. Apr 2017

Es gibt wohl Beobachtungen worauf die heutigen Kernfusions-Ofen-Sonne Theorie keine...

cpt.dirk 24. Mär 2016

Schöne, ideale Welt. Das Problem ist leider, dass bei der Verwendung von Deuterium durch...

cpt.dirk 24. Mär 2016

Die für Fusionsforschung verschwendeten Milliarden könnten möglicherweise weit...

MatroxVS3dfx 21. Mär 2016

Sagt mal versteht keiner das es sich hier um einen FORSCHUNGSREAKTOR handelt? Weder das...



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