Freifunk: Kostenloses Internet für Flüchtlinge

Damit Flüchtlinge mit Freunden und Verwandten in Verbindung bleiben können, bringen Freifunkaktivisten das Internet in deren Unterkünfte. Das Netz ist für die Flüchtlinge so wichtig wie die Versorgung mit Lebensmitteln und Kleidung.

Artikel von Keywan Najafi Tonekaboni veröffentlicht am
Vahid Mahdian und Michel Vorsprach haben gemeinsam das Freifunk-Projekt aufgesetzt.
Vahid Mahdian und Michel Vorsprach haben gemeinsam das Freifunk-Projekt aufgesetzt. (Bild: Keywan Najafi Tonekaboni)

Zwei junge Männer stehen auf einem Balkon in der obersten Etage eines Plattenbaus. Von hier aus haben sie eine gute Aussicht auf den Magdeburger Stadtteil Neu-Olvenstedt. Die Höhe des Gebäudes ist wichtig, denn der Freifunk-Aktivist Michel Vorsprach und der Flüchtling Vahid Mahdian haben gemeinsam eine Richtfunk-Antenne installiert. Darüber versorgen die beiden die Plattenbau-Siedlung, deren Gebäude als Unterkünfte für Flüchtlinge dient, mit Internet.

Inhalt:
  1. Freifunk: Kostenloses Internet für Flüchtlinge
  2. Freifunk gibt es im gesamten Land

Verteilt wird die Internetverbindung über ein halbes Dutzend Freifunk-Router, die Vorsprach und Mahdian in den Wohneinheiten der Siedlung aufgebaut haben. Die Freifunker haben den Internetzugang für die Richtfunkstrecke organisiert. Mahdian hat für den Zugang zu der Gemeinschaftsunterkunft gesorgt, in der er auch selbst mit seiner Frau und ihrem gemeinsamen Kind wohnt. Die Hardware spendeten lokale Firmen und der Freifunk Magdeburg. Gleich am ersten Abend loggten sich fast 30 Flüchtlinge in das Netz ein.

  • Michel Vorsprach und Vahid Mahdian installieren die Richtfunk-Strecke. (Bild: Keywan Najafi Tonekaboni)
  • Für die Richtfunkstrecke wird die Ubiquiti Nanostation M5 verwendet. (Bild: Keywan Najafi Tonekaboni)
  • Die Gemeinschaftsunterkünfte befinden sich in einer Plattenbausiedlung. (Bild: Keywan Najafi Tonekaboni)
  • Vahid Mahdian auf dem Balkon seiner Wohnung. Auf der rechten Seite sind die Antennen des Routers zu sehen. (Bild: Keywan Najafi Tonekaboni)
  • Die Hutablage als Schreibtisch: Michel Vorsprach und Vahid Mahdian überprüfen das Mesh-Netzwerk der Freifunk-Router. (Bild: Keywan Najafi Tonekaboni)
  • Fällt ein Router aus, muss ein Ersatz her. (Bild: Keywan Najafi Tonekaboni)
  • Einen passenden Standort für die Router zu finden, ist in dem gut abschirmenden Plattenbau nicht einfach. (Bild: Keywan Najafi Tonekaboni)
  • Vahid Mahdian auf dem Dach einer Kabuler Hochschule. Die von ihm installierte Satellitenschüssel versorgt die Universität mit schnellem Internet. (Bild: Vahid Mahdian)
Michel Vorsprach und Vahid Mahdian installieren die Richtfunk-Strecke. (Bild: Keywan Najafi Tonekaboni)

"So kann ich mit meiner Familie in Verbindung bleiben und bin beruhigt, wenn es ihnen gut geht", sagt Mahdian, der in Afghanistan vor seiner Flucht als IT-Experte gearbeitet und Satelliten-Uplinks installiert hat. Der Kontakt zur Familie ist auch der Hauptgrund, warum er als Flüchtling ein internetfähiges Telefon besitzt. Das Internet ist für Mahdian so wichtig wie Essen und Trinken. Bevor es die Internetverbindung gab, war sein Telefonguthaben nach wenigen Minuten aufgebraucht.

Angefangen habe er als einfacher Techniker, berichtet Mahdian. In Botschaften, UN-Büros und afghanischen Bildungseinrichtungen installierte er Satellitenverbindungen. Dabei reiste er durchs ganze Land, in fast alle Provinzen. "Das war gefährlich, aber ich habe das Geld gebraucht", sagt der 29-Jährige. Sein Informatik-Studium musste er nach zwei Jahren aus finanziellen Gründen abbrechen. Dafür lief es in der Firma gut, er wechselte in die Kundenbetreuung, am Ende in den Verkauf.

Auf der Flucht vor den Taliban

Doch dann bekam er eine Warnung, da er für westliche Einrichtungen arbeitete: "Sie drohten mir und meiner Familie." Mit sie meint er die Taliban. Er sollte sich ihnen anschließen. Vor die Wahl gestellt zwischen Tod und Taliban, ergriff er mit Frau und Kind die Flucht, über Iran und die Türkei nach Europa. "Dieser Lkw in Österreich, in genau so einem Fahrzeug sind wir hierhergekommen. Was den Leuten passiert ist, macht mich sehr traurig", kommentiert er das Schicksal der 71 erstickten Flüchtlinge.

Jetzt steht Mahdian zusammen mit Vorsprach hinter dessen Auto. Kennengelernt haben sich die beiden in einem Café, organisiert von einem lokalen Willkommensbündnis. Hier erzählte Vorsprach gemeinsam mit anderen Freifunkern den Flüchtlingen von dem Projekt, jetzt sind sie ein Team. Der Kofferraum ist geöffnet. Über Vorsprachs Laptop auf der Hutablage inspizieren die beiden auf der Freifunk-Karte das Netz. Mehrere Etagen über ihren Köpfen ist der Empfänger der Richtfunkstrecke per Kabelbinder am Geländer des Balkons befestigt. Über ein LAN-Kabel wird von da der erste Freifunk-Router versorgt.

Das sind einfach WLAN-Router (TP-Link TL-WR841N), auf die Vorsprach die Freifunk-eigene Gluon-Firmware installiert hat. Die Freifunk-Router verbinden sich untereinander durch ein Mesh-Netzwerk. Doch immer wieder fällt ein Knoten aus. Die beiden gehen zu einem der Häuser. Mahdian ruft auf Dari einem siebenjährigen Jungen im vierten Stock etwas zu. Dann gehen sie hoch.

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Freifunk gibt es im gesamten Land 
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Benjamin_L 27. Sep 2015

Diskrimierungsfreier Zugang zu Wissen und gesellschaftlicher Teilhabe meinst du...

Fibernator 25. Sep 2015

Und warum? Weil die Sackpfeife Lärm macht. Mach der Hotspot Lärm? Nö. Wenn die Polizei...

gadthrawn 24. Sep 2015

Ich würde auch von steigenden Zahlen ausgehen, wurden doch Flüchtlinge aus Afrika in den...

Dorsai! 19. Sep 2015

Ich bin mir grad unsicher wer hier nur "die Extremen kennt". Entweder man muss die...



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