Intermediate Experimental Vehicle: Esa testet den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre

1.700 Grad Celsius wird es heiß, wenn das experimentelle, europäische Raumfahrzeug IXV von einem Ausflug ins All zur Erde zurückkommt. Da darf nichts schiefgehen. Bis auf eine kleine Verzögerung vor dem Start hat aber alles geklappt.

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Experimentelles Raumfahrzeug IXV: autonomer Flug um die halbe Welt
Experimentelles Raumfahrzeug IXV: autonomer Flug um die halbe Welt (Bild: J. Huart/Esa)

Eine Raumfähre, die auch Astronauten zur und vor allem von der Internationalen Raumstation (International Space Station, ISS) zurück zur Erde transportieren kann - das ist das Ziel der Europäischen Raumfahrtagentur (European Space Agency, Esa). Am heutigen Mittwoch will die Esa einen wichtigen Test dafür durchführen: den Wiedereintritt eines Raumfahrzeugs in die Erdatmosphäre. Der Testflug sollte schon im Herbst 2014 stattfinden.

Intermediate Experimental Vehicle (IXV) heißt das Raumfahrzeug, mit dem die Esa diesen Test absolvieren will. Das IXV ist ein etwa fünf Meter langer, rund zwei Tonnen schwerer aerodynamischer Auftriebskörper. Seine Unterseite ist abgeflacht und bildet den Hitzeschutzschild. Die schwarzen Platten bestehen aus Keramikkacheln, in die Kohlenstofffasern verwoben sind. Sie sollen die Eintrittstemperatur von über 1.700 Grad Celsius überstehen.

Auf den Winkel kommt es an

Die Form erzeugt beim Flug durch die Atmosphäre Auftrieb. Das Raumfahrzeug hat keine Tragflächen, sondern lediglich zwei Klappen am Heck, mit denen es gesteuert und stabilisiert wird. Ein komplexes Navigationssystem (Guidance, Navigation and Control, GNC) steuert den flügellosen Experimentalflieger. Das Raumfahrzeug muss vor allem auf den richtigen Winkel beim Eintritt achten: Sei dieser zu steil, werde das IXV verglühen, erklärt die Esa. Sei der Eintrittswinkel hingegen zu flach, werde das IXV den angepeilten Landeplatz verfehlen.

Eine Vega-Trägerrakete wird das Raumfahrzeug in eine niedrige Umlaufbahn (Low Earth Orbit, Leo) bringen. Das IXV wird allerdings keine ganze Erdumkreisung absolvieren. Die Vega (Vettore Europeo di Generazione Avanzata, übersetzt etwa fortgeschrittene Generation einer europäischen Trägerrakete) ist eine vierstufige Rakete, die für den Transport kleinerer Satelliten konzipiert ist.

Start um 14 Uhr

Die Rakete wird mit ihrer Nutzlast um 14 Uhr unserer Zeit vom Raketenstartplatz Kourou im französischen Überseedepartement Französisch-Guayana aus starten - der Start kann live im Internet verfolgt werden. Etwa 18 Minuten nach dem Start wird das IXV in rund 340 Kilometern Höhe abgetrennt und aus eigener Kraft bis auf eine Höhe von rund 410 Kilometern steigen. Dann beginnt der Abstieg, den in der Atmosphäre Fallschirme verlangsamen werden. Gegen 15:40 Uhr soll das Raumfahrzeug im Pazifik wassern.

  • Am 11. Februar 2015 testet die Esa den Wiedereintritt mit dem Raumfahrzeug IXV. (Grafik: J. Huart/Esa)
  • Das experimentelle Raumfahrzeug fliegt vollständig autonom. (Grafik: J. Huart/Esa)
  • Es hat keine Tragflächen, sondern zwei Klappen am Heck, mit denen es navigiert. (Grafik: J. Huart/Esa)
  • Eine Vega-Trägerrakete wird IXV in eine niedrige Umlaufbahn bringen. (Grafik: J. Huart/Esa)
  • Startklar: Das IXV ist auf der Vega-Trägerrakete montiert. (Foto: M. Pedoussaut/Esa)
  • Dieser neuartige Hitzeschild soll das IXV beim Wiedereintritt schützen. (Foto: M. Pedoussaut/Esa)
  • Ein Überblick über den Ablauf des Tests (Grafik: Esa)
Am 11. Februar 2015 testet die Esa den Wiedereintritt mit dem Raumfahrzeug IXV. (Grafik: J. Huart/Esa)

Das IXV wird komplett autonom fliegen. Während des Fluges, vor allem aber beim Wiedereintritt, werden Sensoren, darunter eine Infrarotkamera, jede Menge Daten erfassen und zur Erde funken. Sie laufen in der Bodenstation in Turin zusammen. Von dort aus wird der ganze Flug überwacht.

Fallschirme wurde 2013 getestet

Ein Vorgänger des IXV war die Kapsel Atmospheric Reentry Demonstrator (ARD), mit der die Esa im Oktober 1998 einen Wiedereintrittstest durchführte. Das Konzept des IXV stellte die europäische Raumfahrtagentur 2011 vor. Im Juni 2013 wurde im Mittelmeer ein Fallschirmtest mit einem Modell in Originalgröße gemacht.

Bislang sind die Europäer - wie auch die USA - von Russland abhängig: Seit dem Ende des Spaceshuttle-Programms im Jahr 2011 gibt es nur die russische Sojus-Raumfähre für bemannte Flüge zur ISS. Die US-Raumfahrtbehörde National Aeronautics And Space Administration (Nasa) setzt auf das private Raumfahrtunternehmen Space Exploration Technologies (SpaceX): Das hat im Mai vergangenen Jahres die Raumfähre Dragon V2 vorgestellt. Damit sollen 2016 erstmals Astronauten zur ISS fliegen.

ATV verglüht beim Wiedereintritt

Die Europäer haben bis dato nur unbemannte Raumtransporter zur ISS geschickt: die fünf Automated Transfer Vehicles (ATV). Diese Raumtransporter fliegen komplett autonom zu der Station. Selbst für das Andockmanöver ist kein menschliches Eingreifen notwendig. Das letzte ATV ist im Sommer 2014 zur ISS geflogen. Es ist noch an die Station angedockt und wird voraussichtlich Ende Februar abgekoppelt und dann beim Wiedereintritt verglühen.

Allerdings geht es nicht nur um bemannte Missionen: Auch Raumfahrzeuge, die Proben auf fremden Planeten wie dem Mars sammeln und zur Erde zurückbringen sollen, müssen den Wiedereintritt absolvieren. Wie man ins All komme und dort in einer Umlaufbahn bleibe, wüssten die Europäer, sagte Giorgio Tumino, IXV-Projektleiter bei der Esa, der Nachrichtenagentur AFP. Heute gehe es darum, das letzte Manöver zu testen: aus dem Orbit zurückzukommen. Das sei eine der kompliziertesten Disziplinen der Raumfahrt.

Nachtrag vom 11. Februar 2014, 16:50 Uhr

Der Testflug des IXV ist planmäßig verlaufen. Das hat die Esa am Nachmittag mitgeteilt. Vor dem Start war es zu einer Verzögerung gekommen - die Telemetrie-Verbindung zwischen Rakete und Kontrollzentrum war abgebrochen. Die Vega mit dem IXV an Bord startete deshalb mit Verspätung um 14:40 Uhr.

Das war aber das einzige Problem. "Das IXV hat seine Mission, mit der ein Aufbau eigenständiger europäischer Kapazitäten für den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre für künftige wiederverwendbare Raumtransportsysteme anvisiert wird, erfolgreich abgeschlossen", berichtet die Esa. Das experimentelle Raumfahrzeug habe "ein reibungsloses Wiedereintrittsmanöver" absolviert und sei anschließend westlich der Galapagos-Inseln gewassert.

Bergungsschiff fischt IXV aus dem Wasser

Das Bergungsschiff Nos Aries wird das IXV aus dem Wasser fischen. Dann wird es in die Niederlande gebracht,wo es eingehend untersucht werden soll. Die ersten Ergebnisse des Flugs will die Esa in etwa sechs Wochen bekannt geben.

"Mit dem IXV betritt die ESA Neuland im Hinblick auf Wiedereintrittskapazitäten und die Wiederverwendbarkeit", kommentierte der scheidende Esa-Chef Jean-Jacques Dordain. "Die ESA und ihre Mitgliedstaaten sind nun gemeinsam mit der europäischen Raumfahrtindustrie in der Lage, sich in mehreren Bereichen des Raumtransports, wie künftigen Trägerraketen, der robotischen Exploration oder der bemannten Raumfahrt, neuen Herausforderungen zu stellen."

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