Datenüberwachung: Die BND-Auslandsaufklärung im rechtsfreien Raum

Monatlich gibt der BND Millionen Daten aus der Telekommunikationsüberwachung an den US-Geheimdienst NSA weiter. Verletzt er damit millionenfach Grundrechte? Darüber hat Golem.de mit dem Verfassungsrechtler Christoph Gusy gesprochen.

Artikel veröffentlicht am , Christiane Schulzki-Haddouti
Eine Radarantenne des BND in der Nähe von Bad Aibling
Eine Radarantenne des BND in der Nähe von Bad Aibling (Bild: Johannes Simon/Getty Images)

Bewegt sich der Bundesnachrichtendienst (BND) mit der Weitergabe von Daten aus der Telekommunikationsüberwachung an die NSA im rechtlichen Rahmen? Richter Bertold Huber kommt in einem aktuellen Aufsatz in der Neuen Juristischen Wochenschrift zu dem Schluss, die Abhöraktivitäten des Bundesnachrichtendiensts seien verfassungswidrig, weil das Fernmeldegeheimnis nicht nur Deutschen zustehe. Huber ist Mitglied der G-10-Kommission, die im Bundestag die Abhöraktivitäten der Nachrichtendienste kontrolliert. Christoph Gusy vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Staatslehre und Verfassungsgeschichte an der Universität Bielefeld dagegen sieht das Post- und Fernmeldegeheimnis nur dann geschützt, wenn der Post- und Fernmeldevorgang im Inland stattfindet. So habe das Bundesverfassungsgericht geurteilt. Gusy sagt: "Wenn im Ausland ein solcher Vorgang läuft, ist er grundrechtlich neutral."

  • Christoph Gusy vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Staatslehre und Verfassungsgeschichte an der Universität Bielefeld (Bild: Christoph Gusy)
Christoph Gusy vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Staatslehre und Verfassungsgeschichte an der Universität Bielefeld (Bild: Christoph Gusy)
Inhalt:
  1. Datenüberwachung: Die BND-Auslandsaufklärung im rechtsfreien Raum
  2. Schwache Regelungen für Geheimdienste

Es gibt Gusy zufolge allerdings zwei Ausnahmen: Die eine ist, wenn die Telekommunikation zwar im Ausland stattfindet, aber ein Teilnehmer von Deutschland aus telefoniert. Dann gilt das deutsche Post- und Fernmeldegeheimnis. Das andere ist, dass der Telekommunikationsvorgang im Ausland abläuft, aber die Teilnehmer Deutsche sind. Wenn im Ausland Kommunikation überwacht wird, weiß niemand, wer telefoniert. Ob der Schutz besteht, lässt sich erst feststellen, nachdem überwacht wurde.

Gusy weist außerdem darauf hin, dass der BND nicht alle Gespräche abhört, die er erfasst. Er erfasst zunächst nur die Tatsache der Verbindung, also wer mit wem kommuniziert. Die Anzahl der Gespräche, auf die Auswertungsalgorithmen reagieren, sei "dramatisch geringer" als 500 Millionen. Laut BND handelt es sich nur um 3,6 Millionen. Wobei Gusy sagt: "Ich bin ganz sicher, dass die Zahl der relevanten Kommunikationsvorgänge noch deutlich unter 3,6 Millionen liegt."

"Schwarzes Loch des Rechtsstaates"

Laut Huber ist die Auslandsüberwachung des BND "ein schwarzes Loch des Rechtsstaats", da weder Erfassung noch Weitergabe der Daten im G-10-Gesetz geregelt sind. Entsprechend ist auch die G-10-Kommission außen vor und der BND hat bei der Auslandsaufklärung freie Hand. Diese Auffassung teilt Gusy. Er sagt: "Die Tätigkeit des BND im Ausland ist generell sehr schwach geregelt. Das gilt auch für die Frage der Überwachung von Wohnungen im Ausland und Ähnlichem. Im Grundsatz handelt der BND im rechtsfreien Raum."

Das Völkerrecht toleriere das im Grundsatz, sagt Gusy: "Man findet keine Norm, in der es heißt, dass keiner gegen den anderen spionieren darf." Dass "man das unter Freunden nicht tut", sei lediglich eine Art Gentleman-Agreement. Gusy: "Wir wissen ja alle, dass es die Spionage unter Freunden in den letzten 50 Jahren zuhauf gegeben hat."

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Schwache Regelungen für Geheimdienste 
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