Rücktritte

Piratenpartei spricht von "Racheakt der NPD"

Zwei Mitglieder der Piratenpartei sind wegen ihrer früheren Zugehörigkeit zur NPD in die Kritik geraten und von einigen Posten zurückgetreten. Ein Parteikollege spricht von einem "Racheakt der NPD" und Mitglieder der Piratenpartei diskutieren über den Umgang mit ehemaligen Rechtsextremen in ihren Reihen.

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Wahlwerbung der Piratenpartei Mecklenburg-Vorpommern
Wahlwerbung der Piratenpartei Mecklenburg-Vorpommern (Bild: Piratenpartei)

Die Piratenpartei hat in Mecklenburg-Vorpommern und im bayerischen Freising Ärger mit zwei Mitgliedern mit NPD-Vergangenheit. Beide haben deshalb zumindest einen Teil ihrer Posten aufgegeben.

Valentin Seipt war bis zum 9. Oktober 2011 Kreisvorsitzender der Piraten im bayrischen Freising. In seiner Rücktrittsbegründung vom Folgetag distanziert er sich von rechtsextremem Gedankengut: "Ich möchte mit diesem Schritt Schaden von der Piratenpartei abwenden, deren Ziele und Werte mir wirklich am Herzen liegen. Meine Mitgliedschaft bei der NPD war ein Fehltritt." Seipt war von 2007 bis 2009 Mitglied der NPD.

  • Wahlwerbung der Piratenpartei Mecklenburg-Vorpommern: "Nazis raus, Piraten rein" (Bild: Piratenpartei)
Wahlwerbung der Piratenpartei Mecklenburg-Vorpommern: "Nazis raus, Piraten rein" (Bild: Piratenpartei)

Am 13. Oktober 2011 trat dann auch Matthias Bahner von der Piratenpartei Mecklenburg-Vorpommern zurück, der einzige Kreistagsabgeordnete der Piraten in der Region. Er legte auch seine Ämter als Beisitzer des Landesvorstands und als Schatzmeister des Kreisverbandes der Region Greifswald nieder. Am 9. Oktober, an dem auch Seipt seinen Rücktritt verkündete, hatte Bahner laut Piratenpartei bekanntgegeben, dass er als Jugendlicher in die NPD eingetreten war. Allerdings hat er erst nach seinem Austritt eingeräumt, dort auch an politischen Versammlungen und Demonstrationen teilgenommen zu haben; etwa gegen die Wehrmachtsausstellung in Peenemünde und als Gast an einem NPD-Landesparteitag.

Offenbarung unter Druck

Matthias Bahner habe nie einen ausdrücklichen Austritt erklärt, sondern sich von der Partei gelöst, indem er keine Beiträge mehr gezahlt habe und den Versammlungen ferngeblieben sei. Eine lose Beziehung zu einem NPD-Mitglied habe auch danach noch bestanden, erklärte die Piratenpartei Mecklenburg-Vorpommern. Er sei nun deshalb an die Öffentlichkeit gegangen, weil dem Landesvorstand von Dritten die Bekanntgabe seiner politischen Vergangenheit angekündigt wurde.

Bahner entschuldigte sich für die späte Offenbarung. "Mir ist bewusst, dass ich viele Fehler gemacht habe, indem ich über meine Vergangenheit in der NPD viel zu spät und zunächst auch nur unvollständig Auskunft gegeben habe", sagte er.

Bahner hofft nun darauf, sein Mandat im Kreistag von Vorpommern-Greifswald für eine Bewährungszeit vorerst behalten zu können. Zumindest so lange, bis auf dem nächsten Parteitag den Mitgliedern des Kreisverbandes die Vertrauensfrage gestellt werde. Bahner erklärte sich bereit, das Kreistagsmandat an einen Nachrücker abzugeben, wenn er das Vertrauen der Basis nicht erhalten sollte, heißt es.

Stern.de sagten Seipts Parteikollegen Wolfgang Dudda und Aleks Lessmann, dass Seipt geläutert sei, sich inzwischen gegen Rechtsextremismus engagiere - "das öffentliche Outing ist ein Racheakt der NPD, sie hat sich damit an die Medien gewandt", sagte Dudda.

Kritik an Bahner

In Mecklenburg-Vorpommern wird Bahner hingegen härter von seinen Piratenparteikollegen angefasst. Der Vorstandsvorsitzende Michael Rudolph erklärte: "Der Rücktritt von Matthias ist der richtige Schritt. Die fehlende Kommunikation, fehlende Transparenz und vor allem seine falschen Aussagen ließen ihm nur wenig Raum für eine andere Entscheidung".

Er honorierte jedoch Bahners "klare Distanzierung von deren Ideologie." An Bahners demokratischer Einstellung gebe es keinen Zweifel. Die Piratenpartei Mecklenburg-Vorpommern hatte für die Landtagswahl unter anderen mit dem Slogan "Nazis raus, Piraten rein" um Wähler geworben.

Forsa-Chef Manfred Güllner sagte Stern.de, neue Parteien zögen immer Extreme an. Die Piratenpartei bediene jedoch nicht generell rechtes Spektrum, sondern sei eher Mitte-Links. "Außerdem stellen die Piraten nicht die Grundprinzipien des Systems infrage, wie es Rechtsradikale oft tun. Sie kritisieren zwar verkrustete Rituale, sind aber auf keinen Fall antidemokratisch", sagte Güllner Stern.de.

Nachtrag vom 17. Oktober 2011, 13:28 Uhr

In der Piratenpartei ist ein offener Streit darüber ausgebrochen, wie mit den beiden Ex-NPD-Mitgliedern umgegangen werden soll. Bernd Schlömer, der stellvertretende Vorsitzende der Piraten, stellt sich offen gegen den Bundesvorsitzenden Sebastian Nerz. Der bezeichnet die NPD-Mitgliedschaft von Seipt und Bahner als "Jugendsünden" und "jugendliche Naivität", die eine Demokratie auch verzeihen können müsse, während für Schlömer in der Piratenpartei klar "kein Platz für ehemalige NPD-Mitglieder" ist.

Der Tageszeitung (taz) sagte Schlömer: "Wir sind kein Sammelbecken für verfassungsfeindliche Meinungen. Wir müssen da sehr sensibel sein". Er zweifelte an, dass ehemalige NPD-Mitglieder die inhaltlichen Ziele der Piratenpartei heute mittragen könnten. Auch die Bundesgeschäftsführerin der Piraten, Marina Weisband, distanzierte sich von Nerz' Wortwahl. "Jugendsünden" klinge bagatellisierend.

Kritik gibt es auch aus anderen Parteien, so hat etwa Volker Beck von den Grünen Nerz' Einstellung als "geradezu naiv" bezeichnet. Die Rückkehr in die "demokratische Parteienfamilie" setze voraus, dass man seine Gesinnung nachvollziehbar geändert habe. Das sei aber eben nicht in allen Fällen klar. "Das Jugendsünde-Argument ist besonders fehl am Platz, wenn es sich um ehemalige Funktionäre der NPD gehandelt hat", sagte Beck der dpa. "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus sind ja nun keine Petitessen. Wer da etwa gar von Meinungsfreiheit schwadroniert, hat die Problematik nicht verstanden."

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