Boden-GPS: So lassen sich Handynutzer in jeder Gebäudeecke orten

Die US-Mobilfunkprovider müssen in wenigen Jahren die Ortung von Notrufen in Gebäuden garantieren. Das US-Startup Nextnav will mit Funksignalen und Luftdrucksensoren dieses Ziel erreichen. Doch die Technik lässt sich noch für ganz andere Zwecke nutzen.

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Der Prototyp eines Ortungssenders von Nextnav
Der Prototyp eines Ortungssenders von Nextnav (Bild: Friedhelm Greis/Golem.de)

Wie lassen sich Handynutzer innerhalb eines Gebäudes präzise orten? Für dieses Problem müssen US-Mobilfunkprovider in wenigen Jahren eine praktikable Lösung bereitstellen. Denn die US-Regulierungsbehörde FCC verlangt von den Anbietern künftig, dass eingehende Notrufe über Mobilfunkgeräte auch innerhalb von Häusern genau lokalisiert werden können. Das US-Startup Nextnav habe dazu ein System entwickelt, das mit Hilfe von geeigneten Smartphones und verhältnismäßig wenig Funksendern in kompletten Städten eine Ortung ermögliche, erläuterte Firmengründer Ganesh Pattabiraman am Mittwoch vor Journalisten in Sunnyvale.

Inhalt:
  1. Boden-GPS: So lassen sich Handynutzer in jeder Gebäudeecke orten
  2. Die totale Ortung aller Nutzer per MBS?

Während die Ortung von Notrufen im Freien über GPS ermöglicht wird, scheitert diese Technik innerhalb von Gebäuden. Zum einen ist das GPS-Signal in vielen Gebäuden nicht zu empfangen. Zum anderen sollten Rettungskräfte wissen, in welchem Stockwerk sich ein Anrufer befindet, wenn sie ihm möglichst schnell helfen wollen. Zwar gibt es Möglichkeiten, mit Hilfe von WLAN oder Bluetooth Low Energy (BTLE) einen Handynutzer recht genau zu orten. Doch diese Konzepte haben den Nachteil: Sämtliche Räume eines Gebäudes müssten mit Sendern und Ortungstechnik ausgestattet werden. Ein enormer Aufwand.

Andere Verfahren, wie das sogenannte Radio Frequency Pattern Matching von Polaris Wireless erreichen nur eine Genauigkeit von 50 Metern. Allerdings sind dafür keine Änderungen an der Hardware von Telefonen und Mobilfunkstationen erforderlich.

Luftdrucksensoren für Höhenmessung

Nextnav verfolgt daher einen anderen Ansatz. Das 2008 gegründete Unternehmen hat Sender entwickelt, die mit 920 bis 928 MHz ein GPS-synchronisiertes Zeitsignal ausstrahlen. Metropolitan Beacon System (MBS) heißt das Konzept, eine Art Boden-GPS. Die Sender, Beacons genannt, funken mit 30 Watt und verfügen über eine Reichweite von rund zehn Kilometern. Die Handys können diese Signale auch in Gebäuden empfangen und so über Triangulationsverfahren ihre Position orten. Für die genaue Höhenbestimmung setzt Nextnav auf präzise Luftdrucksensoren, wie sie bereits in vielen Smartphones eingebaut sind.

  • Firmenchef Ganesh Pattabiraman zeigt  den Prototyp eines Senders zur sogenannten Indoor-Ortung. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Von der Firmenzentrale im kalifornischen Sunnyvale aus überwacht Nextnav die bereits installierten Sender. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Für eine Ortung sind deutlich weniger Sender als für ein entsprechendes Mobilfunknetz erforderlich. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Die Grafik veranschaulicht, wie sich durch die Referenzmessung des Luftdrucks die Genauigkeit der Höhenortung verbessern lässt. (Grafik: Nextnav)
  • Die Testgeräte zeigen, wie sich der gemessene Höhenwert (-24,96 Meter) ...  (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • ... durch das Heben und Senken des Gerätes verändert (-24,18 Meter). (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Die Grafik veranschaulicht die Genauigkeit der Höhenmessung in Abhängigkeit von der eingesetzten Ortungstechnik. (Grafik: Nextnav)
  • Die Funktionen für die Indoor-Ortung lassen sich in einem Bauteil von wenigen Millimetern Größe unterbringen. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
Firmenchef Ganesh Pattabiraman zeigt den Prototyp eines Senders zur sogenannten Indoor-Ortung. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)


Allerdings sind solche Sensoren nicht in der Lage, eine ausreichend genaue Höhenortung in einem Gebäude zu ermöglichen. Denn je nach Luftdruck variiert die ermittelte Höhe um Dutzende Meter. Zu diesem Zweck verfügen die Sender von Nextnav über eine eigene Wetterstation, die einen Referenzluftdruck misst. Mit Hilfe dieser Kalibrierung habe das Startup die Genauigkeit in 80 Prozent der Fälle auf 1,9 Meter steigern können, sagte Pattabiraman. Genau genug, um das Notrufsignal einem bestimmten Stockwerk zuordnen zu können.

Strukturdaten von allen Gebäuden erforderlich

Es gibt jedoch noch eine weitere Hürde zu überwinden. Denn schließlich sind fast alle Gebäude unterschiedlich konstruiert. Nextnav muss daher über eine Datenbank verfügen, die für jedes Haus in einer Stadt die Höhe der Stockwerke enthält. Firmengründer Pattabiraman geht davon aus, dies in 80 Prozent der Fälle auf der Basis von externen Daten wie hochauflösenden Fotos ermitteln zu können. In anderen Fällen sollen die Grundrisse und Pläne der Gebäude in eine Cloud hochgeladen werden. Entscheidend seien dabei die unteren Stockwerke. Denn nach oben hinaus ändere sich die Deckenhöhe meist nicht.

Schon jetzt ist abzusehen, dass nicht nur Rettungskräfte Interesse an MBS haben werden. Wenn die Nutzer beispielsweise in einem Einkaufszentrum präzise geortet werden können, wären IT-Konzerne wie Google oder Facebook in der Lage, die Werbung eines in unmittelbarer Nähe befindlichen Ladengeschäfts auszuliefern. Zudem könnten Apps auf Basis der Daten sogar ermitteln, welche Läden die Nutzer tatsächlich wie lange besucht haben. Das Webseiten-Tracking könnte damit in das reale Leben übertragen werden. Pattabiraman hält in diesem Fall eine Umsatzbeteiligung von Nextnav für denkbar.

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Die totale Ortung aller Nutzer per MBS? 
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quasides 21. Nov 2016

du verwechselst das mit einem crowdfunder der dazu nichtmal ein startup sein muss. ein...

tKahner 18. Nov 2016

wenn ich den Artikel richtig verstehe, betrifft das nur Smartphones. Handys werden da...

Vincent-VEC 18. Nov 2016

+1 Gestern noch mit einem externen über die Datensammelwut allgemein gesprochen. Wir...

Moe479 17. Nov 2016

interessant währe es auch zu wissen auf welcher grundlage die regulierungsbehörde so...



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